COVID-19 verschlechtert prosoziales Verhalten unter Jugendlichen I Matthias Sutter

11.11.2021

Nach einer Coronavirus-Infektion in der Familie sind junge Menschen mit sozioökonomisch schwächerem Hintergrund weniger kooperativ und hilfsbereit als zuvor. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Matthias Sutter, Forscher des Exzellenzclusters ECONtribute der Universitäten Bonn und Köln, und seines Teams. Die Studie wurde kürzlich in dem Journal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht.

Erkrankt ein Familienmitglied an dem Corona-Virus, wirkt sich das besonders auf Jugendliche aus ökonomisch schwächeren und weniger gebildeten Schichten negativ aus. Die Heranwachsenden fallen nicht nur in der Schule zurück, auch ihre nicht-kognitiven Fähigkeiten leiden. Sie sind weniger prosozial als zuvor. Das bedeutet: Sie verhalten sich weniger großzügig, altruistisch und kooperativ. Zudem sinkt ihre Bereitschaft, anderen zu vertrauen. Neben nachlassenden schulischen Leistungen kann auch diese Entwicklung für sie langfristig Nachteile mit sich bringen. Das zeigen Ergebnisse eines Forschungsteams um den Verhaltensökonomen Professor Dr. Matthias Sutter von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, der unter anderem am Exzellenzcluster ECONtribute an der Universität zu Köln tätig ist. Die Studie ist am Montag, 8. November, in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen.

Infektion innerhalb Familie vergrößerte Prosozialitätslücke

Ursprünglich war es das Ziel der Wissenschaftler:innen herauszufinden, inwiefern sich das prosoziale Verhalten von Jugendlichen je nach sozioökonomischen Status unterscheidet. Dazu sammelte das Team bereits im Herbst 2019 Daten von 5.000 Oberstufenschüler:innen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren aus drei französischen Regionen. Schon damals zeigte sich anhand von vier Experimenten eine Lücke zwischen Heranwachsenden aus sozioökonomisch besser und schlechter gestellten Familien. Schüler:innen aus weniger wohlhabenden Familien mit einer geringeren Bildung verhielten sich weniger prosozial.

In einer zweiten Runde im Frühjahr 2020 nahmen mit 363 Jugendlichen aufgrund des damals vorherrschenden Lockdowns deutlich weniger der Befragten erneut an den gleichen vier Experimenten teil. Die Forschenden stellten fest: Eine Infektion innerhalb der eigenen Familie hat die Schere zwischen den verschiedenen Bevölkerungsschichten mehr als verdoppelt. Während sich das Verhalten von Jugendlichen mit einem hohen Sozialstatus in diesem Fall kaum veränderte, verhielten sich diejenigen mit einem niedrigen Sozialstatus deutlich weniger prosozial.

Nicht-kognitive Fähigkeiten beeinflussen Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Mehrere Studien haben bereits in der Vergangenheit bewiesen, wie die Pandemie Menschen aus ökonomisch schwächeren und bildungsferneren Schichten in den Bereichen Gesundheit, Arbeitsmarkt und Bildung härter trifft. Das Team um Sutter zeigt nun, inwiefern sich COVID-19 negativ auf prosoziales Verhalten auswirkt – mit Konsequenzen. Denn Wirtschaftswissenschaftler sind sich einig, dass nicht-kognitive Fähigkeiten wie Prosozialität deutlich zum Erfolg im späteren Berufsleben beitragen. „Diese Entwicklung könnte sich langfristig negativ auf die Arbeitsmarktchancen der Betroffenen auswirken“, sagt Sutter.

Über die Ergebnisse seiner Studie spricht der Ökonom auch in einer neuen Folge des Wissenschaftspodcasts Exzellent erklärt – Spitzenforschung für alle“, die am 1. Dezember erscheinen wird. In jeder Folge gewährt der Podcast Einblicke in einen der insgesamt 57 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsverbünde.

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