Top-Ökonomen fordern europaweites einheitliches Vorgehen bei wirtschaftlichen Krisenfolgen

07.07.2020

Seit der Coronakrise stecken viele europäische Länder in einer Rezession. Um die wirtschaftlichen Folgen besser abzufedern, fordern führende Wirtschaftswissenschaftler, darunter der Bonner Ökonom Moritz Kuhn, eine gemeinsame europäische Linie beim Bewältigen der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise.

In einem offenen Brief, der auf dem Politikanalyseportal VoxEU veröffentlicht wurde, schlagen die Ökonomen verschiedene Maßnahmen vor, die europaweit und frei von nationalstaatlichen Interessen zu empfehlen seien. Wichtig sei es, Haushalte, die schwerer von der Krise getroffen seien – zum Beispiel durch fehlende Kinderbetreuung, kurzfristig durch Transferleistungen zu helfen. Die Ökonomen empfehlen außerdem, mit einem Strukturwandel – wie aus der Klimapolitik gefordert – zu warten. Erst wenn sich die Lage stabilisiere, sei es sinnvoll diesen anzugehen – ansonsten drohe eine weitaus tiefere Rezession. Politische Unsicherheiten müsse man über klare Kommunikation reduzieren und frühzeitig mitzuteilen, welche politischen Regeln auf die Gesellschaft zukämen.

Von der europäischen Gemeinschaft lernen

„Wichtig ist es auch, die internationale Zusammenarbeit weiterhin zu stärken, Informationen innerhalb der Staatengemeinschaft auszutauschen und zu überprüfen wo von Best-Practices gelernt werden kann. So kann populistischen Strömungen vorgebeugt werden“, erläutert Moritz Kuhn, Professor für Wirtschaft an der Universität Bonn sowie im Exzellenzcluster ECONtribute.  Die Ökonomen können sich als Unterstützung dazu einen unabhängigen wissenschaftlichen Wirtschaftsausschuss vorstellen. Dieser könnte die Politikmaßnahmen in den verschiedenen Regionen Europas bewerten und koordinieren, spezifische strategische Entwicklungsstrategien entwickeln und den zuständigen nationalen Ministerien wirtschaftspolitische Ideen für ihre Regionen an die Hand geben.

Mulitlaterale Handelsbeziehungen wieder aufnehmen

In der aktuellen Krise hat sich deutlich gezeigt, dass die Weltwirtschaft zu einem großen Geflecht an Handelsbeziehungen zusammengewachsen ist. Es gelte, diese Handelsbeziehungen so schnell wie möglich wieder aufzunehmen und die geringen innereuropäischen Handelsbeschränkungen zu nutzen.  Konjunkturmaßnahmen seien notwendig, um die Volkswirtschaften wieder in Schwung zu bringen. Angesichts der derzeit niedrigen Zinssätze empfehlen die Ökonomen, dass europäische Regierungen mit finanziell stärkeren Haushalten in Länder mit schwächeren Haushalten „investieren“, ohne dass eine instabile Schuldendynamik ausgelöst würde. Dies ermögliche ein schnelleres Ende der durch die Corona-Krise ausgelösten Rezession. Die Ökonomen sprechen sich abschließend für einen größeren Fond, als die von der EU bereitgestellten 750 Milliarden Euro, aus, um mögliche Schuldenkrisen abzuwenden und den Empfängerstaaten mehr Mitspracherecht bei der Verwendung der Mittel zu geben, anstatt die Mittel an bestimmte industriepolitische Maßnahmen mit langfristigen Zielen zu binden.

Zum Originaltext auf VoxEU