Finanzbranche beschäftigt häufig vertrauensunwürdige Mitarbeitende | Matthias Heinz & Matthias Sutter

07.09.2020

Wissenschaftler:innen machen einen möglichen Grund für die vielen Skandale in der Finanzwelt aus: Arbeitnehmende in dieser Branche sind häufig weniger vertrauenswürdig und weniger sozial eingestellt.

Ob Cum-Ex-Geschäfte oder Wirecard – in regelmäßigen Abständen erschüttert ein Skandal die Finanzindustrie. Das ohnehin bereits gebeutelte Image sinkt nach jeder neuen Enthüllung und Kunden, Politik und Gesellschaft verlieren zunehmend Vertrauen. Matthias Heinz und Matthias Sutter, beides Ökonomen des Exzellenzclusters ECONtribute: Markets & Public Policy der Universitäten Köln und Bonn, haben gemeinsam mit Heiner Schumacher (KU Leuven) und Andrej Gill (Universität Mainz) einen möglichen Grund für die Skandale der Finanzbranche gefunden: Sie haben in einer experimentellen Studie die Vertrauenswürdigkeit von Studierenden gemessen und festgestellt, dass die am wenigsten vertrauenswürdigen später verstärkt in der Finanzindustrie arbeiten.

Dazu führten die Wissenschaftler eine Langzeitstudie mit Studierenden der Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt durch. In einer ersten Welle im Jahre 2013 befragten sie 265 Studentinnen und Studenten nach ihren Berufswünschen, sozialen Präferenzen und Persönlichkeitsmerkmalen. Zusätzlichen testeten sie in einem computergestützten Laborexperiment, einem so genannten Trust Game, wie vertrauenswürdig die Studierenden sind. Die Studierenden erhielten acht Euro und konnten einer zweiten Person einen Betrag zwischen 0 und 8 Euro geben. Der Betrag wurde von den Forschern anschließend verdreifacht und die zweite Person konnte dann entscheiden, wieviel sie hiervon der ersten Person zurückgeben wollte. Personen, die einen höheren Betrag zurückgaben galten vertrauenswürdiger als andere. Das Ergebnis: Studierende, die ihre Karriere in der Finanzwelt planten, waren um 30 Prozent weniger vertrauenswürdig, als solche, die nach ihrem Studium ihren Berufseinstieg in einer anderen Branche sahen. 2019 und 2020 wiederholte das Forschungsteam die Befragung und stellte fest, dass die weniger vertrauenswürdigen Personen auch tatsächlich in der Finanzwelt einen Job angenommen hatten.

Vertrauen hat in der Finanzwelt einen besonders hohen Stellenwert – und ist Grundlage für eine Geschäftsbeziehung zwischen Kundschaft und Beratung. Nutzen Beraterinnen und Berater das ihnen entgegengebrachte Vertrauen aus, indem sie die ihnen vorhandenen komplexen Informationen der Finanzwelt besser einzuschätzen wissen als ihre Kundschaft, kann es zu einem Fehlverhalten der Mitarbeitenden im Finanzwesen kommen. Das wiederum kann zur Quelle für Skandale und Betrug werden. Dem könnte die Finanzwelt entgegenwirken, in dem sie die weniger vertrauenswürdigen Mitarbeiter:innen bei der Einstellung aussortiert – die Forschungsergebnisse lassen jedoch einen anderen Schluss zu:

„Studierende, die in der wettbewerbsintensiven Finanzwelt arbeiten möchten, sind weniger vertrauenswürdig als jene, die in anderen Branchen arbeiten wollen. Die Finanzwelt scheint aber weniger vertrauenswürdige Personen im Laufe eines Einstellungsprozesses nicht auszusortieren, sondern tatsächlich einzustellen. Zudem wechseln nur vier Prozent der Arbeitnehmer:innen aus den Finanzen in eine andere Branche, was die Auswahl der Mitarbeiterinnen besonders wichtig macht.“, erläutert Matthias Heinz, Professor bei ECONtribute: Markets & Public Policy und an der Universität zu Köln die Ergebnisse. Es sei weitere Forschung notwendig, um Einstellungsprozesse in der Finanzwelt zu verstehen und Implikationen für die Politik abzuleiten, fasst das Wissenschaftler-Team zusammen.

Inhaltlicher Kontakt

Katrin Tholen
ECONtribute
M  tholen@wiso.uni-koeln.de

 

Inhaltlicher Kontakt

Prof. Dr. Matthias Sutter
Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern
M  matthias.sutter@coll.mpg.de

Prof. Dr. Matthias Heinz
Universität zu Köln
M  heinz@wiso.uni-koeln.de

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