German Real Estate Index (GREIX)

Immobilienpreisentwicklung in deutschen Städten transparent abbilden

Hohe Mietpreise, Gentrifizierung und zu wenig Wohnungsbau: Bezahlbarer Wohnraum ist in Deutschland seit Jahren knapp. Die Corona-Pandemie, die historisch hohe Inflation und steigende Zinsen befeuern die Angst vor einer sich verschärfenden Wohnungskrise. Ab Mitte 2022 brachen die Immobilienpreise inflationsbereinigt um bis zu 20 Prozent ein. Wie konnte es so weit kommen? Wie haben sich die Immobilienpreise in Deutschland in den vergangenen 60 Jahren entwickelt? Und welche Schlüsse lassen sich daraus für die Zukunft ziehen? Der German Real Estate Price Index (GREIX), entwickelt von Ökonomen des Exzellenzclusters ECONtribute und der Universität Bonn, liefert Antworten und setzt neue Standards für die Analyse deutscher Immobilienmärkte auf Basis aktuellster Daten.

Neuer Maßstab für die Analyse deutscher Immobilienmärkte

Der GREIX ermöglicht erstmals ein hochaktuelles Bild der Preisentwicklung der Immobilenmärkte in 18 deutschen Städten seit den 1960er Jahren bis auf die Ebene einzelner Stadtviertel. Mit Hilfe des Datensatzes können langfristige Trends der Immobilienmärkte analysiert und aktuelle Entwicklungen wie der Inflationsschub im historischen Kontext eingeordnet werden. Obwohl in Deutschland zahlreiche Daten zu Immobilienpreisen vorliegen, ließ sich bisher nur ein unklares Bild vom Immobilienmarkt zeichnen.

Forschende des Exzellenzclusters ECONtribute: Markets & Public Policy und der Universität Bonn haben sich deutschlandweit mit Gutachterausschüssen (GAAs) zusammengeschlossen, um die Entwicklung der Immobilienpreise systematisch zu analysieren. Mit dem GREIX schafft ECONtribute nun eine Plattform, die dies ermöglicht – zentral verfügbar und kostenlos. Über eine Website lassen sich die Immobilienpreisen über den gesamten Zeitraum hinweg bis auf die Ebene einzelner Stadtteile transparent vergleichen. Die Datenbank ist ein signifikanter Fortschritt hin zu mehr Transparenz auf dem deutschen Immobilienmarkt und ermöglicht es, den  deutschen Immobilienmarkt hochaktuell und mit höchsten wissenschaftlichen Standards zu analysieren.

 

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Die Ergebnisse im Überblick

Profiteure: Eigentümer konnten in den vergangenen Jahren historisch hohe Vermögensgewinne erzielen. Die Stadt mit der höchsten Wertentwicklung seit 2000: Berlin.

Polarisierung: Der Preisunterschied zwischen den teuersten und günstigsten Stadtteilen in deutschen Städten hat sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt.

Preissturz: Seit Mitte 2022 sind die Immobilenpreise im Vergleich zum Höchststand real um knapp 15 Prozent eingebrochen.

Prognose: Die Preise sinken weiter – wenn auch langsamer. Zum Ende des aktuellen Quartals (Q2) werden die Preise im Bundesschnitt inflationsbereinigt voraussichtlich um knapp 20 Prozent im Vergleich zum Höchststand gesunken sein.

Die Ergebnisse im Detail

Profiteure : Berlin-Kreuzberg vs. Hamburg-Eppendorf

Die neuen Immobilienindizes bilden drei bedeutende Zyklen ab, die die deutschen Wohnungsmärkte in den vergangenen 60 Jahren geprägt haben. Während die Immobilienpreise vor der Wende immer weiter stiegen, brachen sie nach der Wiedervereinigung zunächst ein und stagnierten bis zur Finanzkrise 2007/2008. Was folgte, war der bisher größte und langanhaltendste Immobilienboom in Deutschlands Geschichte: Die Preise stiegen in den meisten Regionen bis 2022 ununterbrochen an. Davon profitierten vor allem Metropolen, wie Berlin, München und Hamburg, während Städte wie Dortmund oder Chemnitz zurückblieben.

Eigentümer von Immobilien haben während des Wohnungsbooms erhebliche Vermögensgewinne verzeichnet. Die Stadt mit der höchsten Wertentwicklung seit 2000 war Berlin mit kumulierten Gewinnen von 160 Prozent nach Inflation, gefolgt von München und Frankfurt. Der Wert einer typischen 100-Quadratmeter-Wohnung in Berlin stieg damit im Schnitt real um etwa 300.000 Euro. Die Preisentwicklung variierte je nach Viertel stark: Hausbesitzer in Hamburg-Eppendorf verzeichneten seit 2000 reale Preissteigerungen von knapp 240 Prozent, gefolgt von  Berlin-Kreuzberg und München-Maxvorstadt mit mehr als 180 Prozent.

Nominale und reale jährliche Wohnungspreisindizes (Abb. 1) und Wachstumsrate der Preise für Wohnungen in Prozent von 2000 bis 2022 für verschiedene Städten (Abb. 2). Die schattierten Flächen bilden Rezessionen in Deutschland ab.

Polarisierung: Chemnitz-Mitte-West vs. München-Schwabing

Die detaillierten Stadtbezirksdaten ermöglichen es erstmals, die erhebliche Polarisierung der Wohnungsmärkte innerhalb und zwischen den einzelnen Städten in den letzten Jahrzehnten abzubilden. Der Preisunterschied zwischen den teuersten und günstigsten Stadtteilen innerhalb deutscher Städte hat sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt. Obwohl die Preise über alle Stadtteile hinweg anstiegen, war das Wachstum in den einzelnen Vierteln unterschiedlich hoch. In Stadtteilen wie Bornheim (Frankfurt) oder Kreuzberg (Berlin) stiegen die Preise zum Beispiel vergleichsweise sehr viel stärker an als im Rest der Stadt. Unter den 18 analysierten Städten ist Chemnitz-Mitte-West derzeit der günstigste Stadtteil, während München-Schwabing der teuerste ist.

Reale Wachstumsrate der Wohnungspreise für verschiedene Stadtteile seit 2008 (Abb. 3) und Wachstumsrate der realen Wohnungspreisindizes für die Stadtteile unterhalb und oberhalb des Medianpreises (Abb. 4)

Preissturz: Düsseldorf vs. Bonn

Die Immobilienpreise stiegen während der Corona-Pandemie stark an, begannen jedoch 2022 zu fallen. Die Indizes zeigen deutlich, dass die steigende Zinsen in Reaktion auf den Inflationsschub eine Trendwende auf dem deutschen Immobilienmarkt ausgelöst haben, die noch im Gange ist. Nominal und real fallen die Verkaufspreise seit der zweiten Jahreshälfte 2022 in allen Städten in der Stichprobe. In einigen Städten sanken die Preise inflationsbereinigt um bis zu 20 Prozent, während die Preise im landesweiten Schnitt inflationsbereinigt fast 15 Prozent unter dem Höchststand lagen. Besonders hart traf der Preissturz unter anderem Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg, während die Preise in kleineren Städten wie Bonn weniger stark gefallen sind.

VPI-bereinigter Preisindex für Wohnungen für verschiedene Städte und den GREIX (Abb. 5) und realer Preisrückgang zwischen dem Höchststand 2022 und dem ersten Quartal 2023 (Abb. 6).

Um Echtzeitdaten über die jüngsten Marktentwicklungen zu erhalten, haben die Forscher ein auf den letzten wissenschaftlichen Methoden beruhendes dynamisches Prognosemodell für Immobilienpreise entwickelt. Die neuesten Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Preise im aktuellen Quartal (Q2 2023) weiter fallen – allerdings langsamer. Die Wissenschaftler prognostizieren, dass die Preise im Vergleich zum ersten Quartal nominal um weitere 2 Prozent fallen werden, was etwa einem realen Rückgang von 4 Prozent entspricht. Somit sinken die Preise im Vergleich zum Höchststand Mitte 2022 im bundesweiten Schnitt voraussichtlich um knapp 20 Prozent.

Hintergrund

Die Daten der Gutachterausschüsse (GAAs) decken sämtliche Immobilientransaktionen der vergangenen 60 Jahre in (West-) Deutschland ab. Die GAAs verfügen somit über den größten und vollständigsten Datensatz in Deutschland. Aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) konnten die Forschenden des Exzellenzclusters ECONtribute rund eine Millionen Transaktionsdaten digitalisieren und sie so erstmals direkt vergleichbar machen. Das Ergebnis: Der erste langfristige Mikrodatensatz zu realen Wohnimmobilientransaktionen in Deutschland. Die Forscher haben mit modernsten statistischen Methoden ein Modell entwickelt, das es ermöglicht, qualitativ hochwertige Indizes zu erstellen. Diese bilden umfassend und regional ab, wie sich die Wohnungspreise in 18 deutschen Großstädten entwickeln und entwickelt haben. Mithilfe spezieller Regressionsmethoden hat das Team quartalsweise die Wohnungspreisindizes für drei verschiedene Marktsegmente in jeder Stadt erstellt: Mehrfamilienhäuser, Einfamilienhäuser und Wohnungen.

Andere bestehende deutsche Immobilienindizes basieren auf alternativen Datensätzen, die sich in der Regel auf Hypothekenverträge, Online-Anzeigen oder Gutachten beziehen. Die einzige Ausnahme ist der nationale Index von Destatis, der ebenfalls auf den Daten der GAA basiert, allerdings ohne aktiven Austausch und Qualitätssicherung durch die GAAs erstellt wird und nur bis in die 2000er Jahre zurückgeht.

Die Datenbank soll laufend aktualisiert und gepflegt werden. Politiker:innen, Journalist:innen und die interessierte Öffentlichkeit haben somit erstmals Zugang zu einer fundierten Analyse historischer, aktueller und zukünftiger Entwicklungen der Immobilienmärkte.